Pro und Kontra
Die Entscheidung, sich als Erwachsener einer neuen Religionsgemeinschaft anzuschließen, ist nie ganz rational: es sind letzlich die Emotionen, die bestimmen. Viele Ex-Zeugen und sogar Aktive beschreiben es als einen Zustand der Verliebtheit, in dem sie in den Zeugen Jehovas die einzig wahre Bestimmung sahen und kein Platz für Gegenstimmen war. Die Zeugen sind dann der Inbegriff von Perfektion und die lange gesuchte Lösung aller Probleme. Kritik bestätigt das nur.
Das ist sicherlich keine einzigartige Eigenschaft der Zeugen Jehovas; es dürfte bei praktisch allen religiösen Gruppen so sein, denen man nicht per Kindstaufe beitritt.
Die Verwandten und Freunde von solchen "Verliebten" sind aber auch in einer schwierigen Gefühlslage: sie sind erschrocken, verwirrt und wütend und glauben oft, eine Person würde von den Zeugen Jehovas per Gehirnwäsche gefügig gemacht und mental entführt.
Dabei gibt es zu vielen Themen durchaus gute Argumente für und gegen die Zeugen - man sollte sie sich zumindest in einem ruhigen Moment anhören und akzeptieren, dass die Gegenseite nicht immer falsch liegen muss. Ich versuche hier ein paar zu sammeln, und ich verhehle nicht dass für mich die Kontra-Argumente überwiegen (sonst wäre ich längst Mitglied). Vielleicht ist das auch eine Hilfe für Menschen, die sich für die Zeugen interessieren oder die Angst davor haben, Freunde oder Verwandte an sie zu verlieren.
BILDUNG, BERUF, GELD
PRO:
Die Zeugen Jehovas fördern grundlegende Ausbildung und Arbeitsfähigkeit ihrer Mitglieder. Sie sollen sich und ihre Familien erhalten können. Sie argumentieren gegen Geldgier und Profitsucht, ohne aber grundsätzlich gegen irgendwelche Wirtschaftssysteme zu sein (jedenfalls so lange, bis "das System" verschwindet).
Die Organisation ist durch Spenden und Gratisarbeit finanziert. Dazu wird immer wieder recht deutlich aufgefordert. Einen Zwang gibt es aber nicht, ebenso keine Kontrolle wer wieviel spendet. Die Organisation verfügt über milliardenschweres Vermögen (insbesondere in Immobilien, die typischerweise von den Versammlungen finanziert und dann der Organisation überschrieben werden), es gibt aber keine Anzeichen dass sich damit jemand persönlich bereichert oder ein exzessives Luxusleben finanziert.
KONTRA:
Die Wachtturmgesellschaft propagiert es immer wieder als vorbildlich, wenn Mitglieder ihre beruflichen Wünsche zurückstecken und sich stattdessen "vollständig Jehova hingeben". Ausbildung und Beruf gelten zwar wie gesagt als notwendig um sich selbst erhalten zu können, sollten aber im Zweifel immer gegenüber der Arbeit bei den Zeugen hintangestellt werden. Ein großes Ideal ist der Pionierdienst, in dem der Predigtdienst zum (unbezahlten) Neben- oder sogar Vollzeitjob wird. Gewarnt wird dagegen vor weiterführender Bildung an Hochschulen: die sei nicht nur unnötig, sondern es sei auch das Risiko groß, mit unnützem weltlichen Wissen und falschen Weltanschauungen verdorben zu werden.
Das bedeutet oft, dass höhere Ausbildungen abgebrochen oder gar nicht versucht werden und die berufliche Karriere geopfert wird – ein Schritt, der mitunter später bereut wird.
Berufe oder freiwillige Tätigkeiten, die besonders zeitaufwändig sind, möglicherweise Waffengebrauch gegen Menschen verlangen oder einfach als zu stark "systemlastig" oder gesellschaftlich integriert gelten, sind teils verboten, teils verpönt. Das gilt für Polizei (wie natürlich Militär) sowie für freiwillige Arbeit bei der Feuerwehr oder dem Roten Kreuz und jegliche kirchennahe Organisationen (z.B. die katholische Caritas). Die Dienstleistungen solcher Institutionen werden aber angenommen. Die professionelle Ausübung von Kampfsport (z.B. Boxen) ist verboten.
Spenden an die Organisation werden "für das weltweite Werk" verwendet. Systematisch organisierte humanitäre Hilfe wird damit ausdrücklich nicht bezahlt, weil die Organisation das Verkündigen als ihre primäre Aufgabe sieht. Über die Finanzen wird keine umfassende Rechenschaft abgelegt, es gibt darüber nur fragmentarische Berichte.
KONTAKT ZUR "WELT"
PRO:
Die Zeugen Jehovas verlangen keinen äußerlich isolierten Lebensstil – Mitglieder arbeiten mit Nicht-Mitgliedern in normalen Firmen und normalen Jobs, gehen in normale Schulen. Sie werden dazu angehalten, einen guten Eindruck auf andere zu machen.
KONTRA:
Der tatsächliche Kontakt zu Nicht-Zeugen ist immer auf das Notwendige beschränkt und bleibt bewusst freundlich, aber distanziert. Enge Freundschaften oder gar Liebesbeziehungen mit Ungläubigen sind zwar nicht kategorisch verboten, gelten aber als sehr unerwünscht bis gefährlich. Wer neu einsteigt, wird dazu angeregt, bisherige ("weltliche") Beziehungen langsam zu reduzieren – das ergibt sich auch aus dem großen Zeitaufwand, regelmäßig zu allen ZJ-Terminen zu erscheinen, sich darauf vorzubereiten, und in den Predigtdienst zu gehen. Bald besteht das engere soziale Umfeld nur mehr aus Zeugen Jehovas, man verbringt sehr wenig Zeit außerhalb der Arbeit mit Ungläubigen.
Für Außenstehende wirkt das wie eine Selbstisolation, aber auch die neuen Mitglieder gewinnen den Eindruck, die anderen würden sich nun von ihnen abwenden, während die Zeugen sie mit offenen Armen empfangen. Hier entstehen Bruchlinien quer durch Familien, so werden oft jahrzehntelange Freundschaften kaltgestellt. Das ist umso unangehmer, wenn Mitglieder irgendwann später zu zweifeln beginnen: draußen haben sie nun niemanden mehr dem sie vertrauen, also sehen sie sich gezwungen bei den Zeugen zu bleiben.
FRIEDE UND GLEICHHEIT
PRO:
Die Zeugen Jehovas sind in praktischer Hinsicht Pazifisten, Antinationalisten und Antirassisten: Gewaltanwendung (über Notwehr hinaus) wird abgelehnt, Zugehörigkeit zu Nationen oder "Rassen" spielt keine Rolle. Obwohl man zu Nichtmitgliedern distanziert bleibt, pflegt man doch grundsätzlich höflichen Umgang mit ihnen (sofern es sich nicht um Ex-Mitglieder handelt). Immigranten werden mit eigenen Versammlungen in ihrer Sprache sowie informellen Sprachkursen unterstützt.
KONTRA:
Im engeren Wortsinn sind die Zeugen Jehovas keine Pazifisten. Sie glauben durchaus an eine extrem gewalttätige Lösung aller Probleme und gehen davon aus, dass alle Ungläubigen (oder zumindest die große Mehrheit) bald getötet werden – aber eben nur durch Gott, keinesfalls durch ihr Zutun. Selbst bezeichnen sie sich stets als neutral, nicht als pazifistisch.
Die höchste Führungsebene der Zeugen Jehovas repräsentiert kaum die internationale Verteilung der Gläubigen: im Jahr 2014 sind fast alle Mitglieder weißer Hautfarbe und aus dem englischen Sprachraum (die meisten aus den USA). Frauen sind natürlich in keiner Führungsposition zu finden, sie sollen sich in der Versammlung wie auch in der Ehe dem Mann unterordnen.
Verschwiegen (sogar bestritten) wird heute, dass Publikationen der Zeugen Jehovas bis in die ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts immer wieder rassistische Aussagen enthielten. Typischerweise wurde dabei die Unterlegenheit der "schwarzen Rasse" angeblich biblisch belegt, oder auch ihre angeblich besondere Eignung zum "Dienen" gelobt. Ebensowenig bekannt ist, dass noch im 1. Weltkrieg Zeugen Jehovas (damals "Bibelforscher") aktiv im Kriegsdienst waren.
GEMEINSCHAFT
PRO:
Die Zeugen Jehovas bilden eine enge Gemeinschaft, in der man sich gegenseitig hilft. Besonders Neuankömmlinge fühlen sich oft mit Liebe überschüttet und mitunter wie in einer neuen, besseren Ersatzfamilie.
KONTRA:
Die Nestwärme bei den Zeugen Jehovas ist eine bedingte. All die Nähe und Freundschaft können schlagartig abkühlen: nämlich dann, wenn man im Verdacht steht, auf irgendeine Weise kein gutes Mitglied zu sein. Das ist keine individuelle Entscheidung, sondern ein gezielt eingesetztes mehrstufiges Instrument, strauchelnde Schäfchen wieder auf Kurs zu bringen. Im äußersten Fall – dem Gemeinschaftsentzug – wird man zu einer persona non grata und muss sich erst wieder die Anerkennung der Ältesten reuig erarbeiten.
Die enge Gemeinschaft kann auch mitunter zu eng werden: jeder soll wohlmeinend "auf seinen Bruder achten" und Probleme den Ältesten melden. Das führt aber leicht zu einem Gefühl der Überwachung und einem Denunziantentum, wie auch zu einer manchmal bösartigen Gerüchteküche in der Versammlung. Letzteres ist ein Problem, das ich sowohl von höchst überzeugten und gläubigen ZJ wie auch von Aussteigern immer wieder gehört habe. Es wird auch manchmal in den ZJ-Zeitschriften angesprochen.
PERSONENKULT?
PRO:
Im Gegensatz zu vielen anderen Gruppen gibt es bei den Zeugen Jehovas keinen Personenkult. Die Männer aus den diversen Führungsebenen werden zwar anerkannt, aber nicht angebetet. Ein "Guru" existiert genausowenig wie Heilige.
KONTRA:
Ein fundamentaler Glaubenssatz der Zeugen Jehovas ist der Glaube an die Organisation: man kann kein richtiger Christ sein, wenn man nicht die Organisation der Zeugen Jehovas als die eine und einzige anerkennt, die von Gott geleitet und ermächtigt ist. Um diese Organisation dreht sich alles, und diese Organisation bestimmt, wie die Bibel zu verstehen ist (Gläubige sollen zwar die Bibel lesen, aber prinzipiell entscheidet die WTG, was darin wie zu verstehen ist). Die Leitende Körperschaft beansprucht eine exklusive, von Gott bzw. Jesus Christus gegebene Autorität.
Im Sprachgebrauch wird daher Gott stets mit der Organisation verbunden: wer sich von der Organisation trennt, verlässt Jehova; nur wer sich der Organisation anschließt und ihren Regeln folgt, dient Jehova. Für die Zeugen Jehovas selbst ist das völlig logisch, und was nach außen hin als Organisationskult erscheint, ist für sie nur eine Anbetung Gottes, wie er das selbst verlangt.
GEHIRNWÄSCHE?
PRO:
Es gibt keine Gehirnwäsche, durch die arme willenlose Opfer in die Fänge der Zeugen Jehovas gerissen werden. Ebenso gibt es keine Geheimlehren, die sich erst fortgeschrittenen Mitgliedern offenbaren. Die Lehren sind von Anfang an klar. Die Zeugen fordern dazu auf, ihre Lehren zu überprüfen und sich dann dafür zu entscheiden - oder auch nicht.
KONTRA:
Der Einstieg bei den Zeugen Jehovas ist kein brutales "Hineingezogenwerden", sondern man geht selbst schrittweise auf sie zu – durchaus mit ein bisschen Ziehen und Anschieben, aber nie gegen den eigenen Willen. Mit jedem Schritt wird aber der Spielraum verkleinert: von Anfang an wird erklärt, dass Satan versuchen würde, den Neuling von den Zeugen abzuhalten – und das bedeutet, dass man auf Kritik von außen zunehmend weniger achten sollte. Kritikern wird stets unterstellt, sie seien böswillig oder von Satan beeinflusst, sodass man auf sie erst gar nicht hören darf. Die "freie Entscheidung" und Prüfung des Glaubens kann damit eigentlich nur auf Information von Zeugen Jehovas basieren, und die ist sorgfältig gefiltert um zur einzig richtigen Entscheidung zu kommen. Besonders Kinder, die in einer ZJ-Familie aufwachsen, haben so kaum eine ernsthafte Wahlmöglichkeit: sie sollen von Anfang an strikt "in der Wahrheit" erzogen werden, die Taufe ist bereits ab etwa 10 Jahren möglich.
Wer sich als Zeuge Jehovas mit Abtrünnigen sehen oder mit der Literatur von Kritikern erwischen lässt, kann sich zumindest auf einen sorgenvollen Besuch der Ältesten gefasst machen. Wer als aktiver Zeuge ernsthafte Zweifel oder Kritik an der Organisation ausspricht, riskiert den Ausschluss aus der Gemeinschaft mit all seinen Konsequenzen. Missstände in einer Versammlung (oder der Organisation als Ganzes) sollten höchstens mit den Ältesten vertraulich besprochen werden; ansonsten soll man demütig auf Jehova warten, diese zu bereinigen. Viele Aussteiger berichten von Schuldgefühlen und Angst, als sie erstmals kritische Texte über die Zeugen lasen. Sie hatten damit ein echtes Tabu gebrochen.
Obwohl es keine "Geheimlehren" im engeren Sinn gibt, wird den Zeugen Jehovas eine extrem gefilterte und geschönte Version der eigenen Geschichte vermittelt. Die aus heutiger Sicht bizarren und widersprüchlichen Lehren vergangener Zeiten sind so gut wie keinem Zeugen Jehovas auch nur ansatzweise bekannt. Wenn, dann wäre das nur aus der verfemten Literatur von "Abtrünnigen" oder Kritikern möglich.
Einige Publikationen werden schon geheimgehalten: so etwa das Anleitungsbuch für Älteste, das ausschließlich solche lesen dürfen (sie werden auch angewiesen, dass es keinesfalls ihre Ehefrauen zu Gesicht bekommen...). Mittlerweile kursieren aber Kopien solcher "geheimer" Publikationen im Internet. Der Inhalt ist nicht besonders spektakulär.
MORALISCHE SICHERHEIT
PRO:
Wie man auch zu den Lehren der Zeugen Jehovas stehen mag, sie sind zumindest in unseren Breiten durchwegs mit den Gesetzen und vielen Moralvorstellungen verträglich: Diebstahl, Gewalt, Untreue wie auch selbstzerstörerisches Verhalten (etwa Drogensucht, Alkoholismus) werden strikt abgelehnt. Wer in dieser Hinsicht labil ist, kann davon profitieren, dass das "richtige" Verhalten absolut klar ist. Bei den Zeugen Jehovas gibt es wenige Grauzonen und viel Bestätigung des richtigen, sowie Bestrafung des falschen Verhaltens.
Mit dem Wegfall großer moralischer Instanzen wie der Kirche und einer Zeit immer größerer Freiheiten und verschiedenster Lebensmodelle geben die Zeugen Jehovas eine Sicherheit, die attraktiv ist: die Regeln sind klar, und verhält man sich konform, wird man von allen Seiten wohlwollend gelobt. Neben dem Gemeinschaftsgefühl ist das ein großer emotionaler Anreiz – eine schwere Last aus Entscheidungen und "Einerseits-Andererseits"-Erwägungen fällt weg, wenn man sich für ein vorgefertigtes Lebensmodell entscheidet.
KONTRA:
Das Lebensmodell der Zeugen Jehovas enthält viele Einschränkungen und stellt Anforderungen, die wenig mit Moral zu tun haben. Leicht passiert es, dass sich Mitglieder irgendwann nicht mehr für gut genug halten (weil sie zuwenig im Predigtdienst sind, Glaubenszweifel haben, sich mit "weltlichen" Interessen abgeben) oder dass ihnen das von anderen vorgehalten wird. In der Literatur der Zeugen Jehovas wird da aber kein Unterschied gemacht: wer nicht mehr als guter Zeuge funktioniert, der riskiert auch sonst den Verfall und wird süchtig, kriminell, untreu usw.
AUSSTIEG
PRO:
Der Austritt ist jederzeit möglich.
KONTRA:
Es ist kaum möglich, ehrenhaft auszutreten. Wer einmal getauft ist und die Gruppe verlässt, wird mit den drastischen Worten aus dem zweiten Petrusbrief bedacht: "Auf sie trifft das wahre Sprichwort zu: Der Hund kehrt zurück zu dem, was er erbrochen hat, und: Die gewaschene Sau wälzt sich wieder im Dreck."
Wer bewusst austritt, steht daher auf einer Stufe mit Ausgeschlossenen, wenn nicht sogar darunter. Das bedeutet: sofortige Meidung durch alle Mitglieder, soziale Kontakte werden vollständig beendet. Aktive Mitglieder werden ständig ermahnt, Ausgetretene und Ausgeschlossene strikt zu meiden und keinerlei Kontakt zu halten. Tun sie das nicht, riskieren sie selbst den Rauswurf.
Viele Ausstiegswillige – besonders solche mit vielen Familienmitgliedern in der Organisation – versuchen daher, sich leise zurückzuziehen: sie erklären nicht ihren Austritt, sondern besuchen immer seltener die Zusammenkünfte und bleiben irgendwann ganz weg. Auf die unvermeidlichen Ältestenbesuche und Nachfragen reagieren sie höflich ausweichend; manche ziehen sogar um, damit sie weniger im Blickfeld stehen. Gelingt das, gelten sie nicht mehr als aktive Mitglieder, sind aber eben auch keine "Abtrünnigen". Gelingt es nicht, können sie in Abwesenheit ausgeschlossen werden. Ein solcher Rückzug verhindert zwar nicht unbedingt die Ächtung durch einzelne Mitglieder, aber zumindest das Kontaktverbot für sämtliche Zeugen Jehovas.
Eine ähnliche Situation gilt für Menschen, die zwar mit den Zeugen verbunden waren, aber nie getauft wurden: sie können zwar als "schlechter Umgang" gelten, ein Kontaktverbot gibt es aber nicht.
EHRLICHKEIT
PRO:
Zeugen Jehovas sollen ein hohes Maß an Ehrlichkeit leben, auch wenn es für sie unangenehm ist. Selbst kleine "Alltagsschummeleien" sind dabei verpönt.
KONTRA:
Während viele Mitglieder tatsächlich im Alltagsleben sehr ehrlich sind, gibt es gewisse Einschränkungen, sobald es um die Organisation selbst geht. Eine Rechtfertigung dafür ist der Begriff "theokratische Kriegführung": die Wahrheit darf verschwiegen werden, um Gott/die Organisation zu schützen. Das bedeutet in der Praxis, dass mit semantischen Tricks und Halbwahrheiten gearbeitet wird, die hart an der Grenze zur glatten Lüge sind.
Unter diese Rubrik fallen etwa Aussagen von ZJ-Sprechern, dass es kein Kontaktverbot gegenüber Ex-Mitgliedern gibt (das sei "eine individuelle Entscheidung"), dass niemand für das Akzeptieren von Bluttransfusionen ausgeschlossen würde, oder dass man niemals das Schlagen von Kindern befürwortet habe. Solche Statements wurden oft im Zusammenhang mit den Anerkennungsverfahren in Deutschland und Österreich abgegeben.
Ebenfalls fragwürdig ist der Umgang der WTG mit Zitaten in ihren eigenen Publikationen. Besonders zu Themen wie Evolution oder Bibelchronologie werden gern Wissenschaftler derartig entstellend zitiert, dass sich deren Aussage komplett ins Gegenteil verkehrt, oder immer wieder Laien als "Wissenschaftler" zitiert. Da kaum ein Leser Zugriff auf die Originalpublikationen hat, fällt das nicht weiter auf. Diese Praxis wird seit langer Zeit systematisch betrieben.