Das religiöse Alltagsleben eines "typischen" Zeugen Jehovas unterscheidet sich recht stark von dem anderer Religionen, auch weil soviel Zeit für religiöse Aktivitäten aufgewendet wird. Hier sollen ein paar Beobachtungen wiedergegeben werden, die ich dabei besonders interessant finde (weshalb dies auch die subjektivste Seite dieser Zusammenstellung ist).
In der Versammlung
Die Versammlung ist ungefähr das, was für andere christliche Gruppen die Kirche bzw. Pfarre ist. Für die meisten Mitglieder ist die Versammlung auch das einzige Umfeld, in dem engere soziale Kontakte geknüpft werden.
Enge freundschaftliche Beziehungen mit Menschen "aus der Welt" (also Nicht-Zeugen) gelten nämlich als unerwünscht: die Mitglieder werden regelmäßig dazu angehalten, "guten, auferbauenden Umgang" zu pflegen, der natürlich nur unter loyalen Mitgläubigen zu finden ist. Besonders Jugendliche werden immer wieder dazu aufgefordert, ihre Zeit nicht mit sogenannten weltlichen Interessen zu verschwenden.
Die Ausnahme sind sogenannte "interessierte Personen", also Menschen, die möglicherweise als zukünftige Mitglieder gewonnen werden können. Wer als interessiert gilt, wird mit Aufmerksamkeit und Zuneigung geradezu überschüttet.
Am anderen Ende des Spektrums finden sich die sogenannten Abtrünnigen bzw. Ausgeschlossenen, das sind Menschen, die die Gruppe freiwillig verlassen haben oder wegen Fehlverhaltens ausgeschlossen wurden. Solche Leute werden nach Möglichkeit von allen sozialen Kontakten abgeschnitten, selbst von Familienmitgliedern und (ehemaligen) engsten Freunden. Sie dürfen aber an den Zusammenkünften passiv teilnehmen.
Enge freundschaftliche Beziehungen mit Menschen "aus der Welt" (also Nicht-Zeugen) gelten nämlich als unerwünscht: die Mitglieder werden regelmäßig dazu angehalten, "guten, auferbauenden Umgang" zu pflegen, der natürlich nur unter loyalen Mitgläubigen zu finden ist. Besonders Jugendliche werden immer wieder dazu aufgefordert, ihre Zeit nicht mit sogenannten weltlichen Interessen zu verschwenden.
Die Ausnahme sind sogenannte "interessierte Personen", also Menschen, die möglicherweise als zukünftige Mitglieder gewonnen werden können. Wer als interessiert gilt, wird mit Aufmerksamkeit und Zuneigung geradezu überschüttet.
Am anderen Ende des Spektrums finden sich die sogenannten Abtrünnigen bzw. Ausgeschlossenen, das sind Menschen, die die Gruppe freiwillig verlassen haben oder wegen Fehlverhaltens ausgeschlossen wurden. Solche Leute werden nach Möglichkeit von allen sozialen Kontakten abgeschnitten, selbst von Familienmitgliedern und (ehemaligen) engsten Freunden. Sie dürfen aber an den Zusammenkünften passiv teilnehmen.
Zusammenkünfte
Ein Gegenstück zum wöchentlichen rituellen Gottesdienst wie in den meisten anderen Kirchen ist nicht vorhanden. Stattdessen gibt es mehrere Zusammenkünfte pro Woche (auf zwei Tage verteilt), die in vergleichsweise nüchterner Atmosphäre nach einem zentral genau vorgegebenen Schema ablaufen. Im Mittelpunkt steht dabei die Beschäftigung mit Büchern und Zeitschriften der Wachtturmgesellschaft. So werden etwa im "Wachtturmstudium" bestimmte Artikel im "Wachtturm" durchgelesen, Fragen und auch Antworten dazu sind fast wörtlich vorgegeben. Alle Lehrinhalte und die Art wie sie vermittelt werden, sind bis aufs kleinste Detail zentral vorgegeben. Abweichungen werden nicht gern gesehen, kritische Diskussion ist undenkbar. Selbstorganisierte Bibelgruppen o.ä. sind ausdrücklich unerwünscht.
Es gibt keine eigenen Kinder- oder Jugendgruppen. Das Vortragsprogramm ist für alle Altersklassen dasselbe.
Kongresse
Drei mal jährlich werden sogenannte Kongresse veranstaltet, davon typischerweise ein großer im Sommer ("regionaler Kongress"). Dabei gibt es vor allem Vorträge, dazu kommt ein Bibeldrama (eine Art Theaterstück mit Playback), die Ausgabe neuer Bücher der WTG und die Taufe neuer Mitglieder. Inhaltlich unterscheiden sich Kongresse kaum von den Zusammenkünften in der Versammlung. Große Kongresse mit tausenden, zuweilen zehntausenden Teilnehmern sind jedoch eindrucksvoll in Szene gesetzte Massenereignisse. Im Alltag sehen sich die meisten Zeugen Jehovas als Außenseiter, als religiöse Minderheit in einer abweisenden Umgebung. Bei Kongressen wandelt sich dieses Bild: hier werden Einigkeit, Stärke und Zusammengehörigkeit einer mächtigen Bewegung demonstriert, hier wird die weltweite Bruderschaft beschworen. In der Öffentlichkeit wird stets auf die perfekte Organisation und die blitzblanke Sauberkeit verwiesen, in der die Kongressorte zurückgelassen werden.
Jüngere Zeugen schätzen Kongresse, weil sie dort mit vielen gleichaltrigen Mitgliedern zusammenkommen. So ist es auch kein Wunder, dass Kongresse scherzhaft als "Heiratsmarkt" gelten.
Gedächtnismahl
Das Gedächtnismahl ist die einzige religiöse Feier der Zeugen Jehovas, die eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Eucharistie-Ritus anderer Kirchen hat. Es wird nur einmal pro Jahr (am 14. Nisan im hebräischen Kalender, d.h. im März oder April) begangen. Dabei werden die Symbole Brot und Wein herumgereicht, aber nur die ganz wenigen "Geistgesalbten" dürfen davon nehmen.
Es gibt keine eigenen Kinder- oder Jugendgruppen. Das Vortragsprogramm ist für alle Altersklassen dasselbe.
Kongresse
Drei mal jährlich werden sogenannte Kongresse veranstaltet, davon typischerweise ein großer im Sommer ("regionaler Kongress"). Dabei gibt es vor allem Vorträge, dazu kommt ein Bibeldrama (eine Art Theaterstück mit Playback), die Ausgabe neuer Bücher der WTG und die Taufe neuer Mitglieder. Inhaltlich unterscheiden sich Kongresse kaum von den Zusammenkünften in der Versammlung. Große Kongresse mit tausenden, zuweilen zehntausenden Teilnehmern sind jedoch eindrucksvoll in Szene gesetzte Massenereignisse. Im Alltag sehen sich die meisten Zeugen Jehovas als Außenseiter, als religiöse Minderheit in einer abweisenden Umgebung. Bei Kongressen wandelt sich dieses Bild: hier werden Einigkeit, Stärke und Zusammengehörigkeit einer mächtigen Bewegung demonstriert, hier wird die weltweite Bruderschaft beschworen. In der Öffentlichkeit wird stets auf die perfekte Organisation und die blitzblanke Sauberkeit verwiesen, in der die Kongressorte zurückgelassen werden.
Jüngere Zeugen schätzen Kongresse, weil sie dort mit vielen gleichaltrigen Mitgliedern zusammenkommen. So ist es auch kein Wunder, dass Kongresse scherzhaft als "Heiratsmarkt" gelten.
Gedächtnismahl
Das Gedächtnismahl ist die einzige religiöse Feier der Zeugen Jehovas, die eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Eucharistie-Ritus anderer Kirchen hat. Es wird nur einmal pro Jahr (am 14. Nisan im hebräischen Kalender, d.h. im März oder April) begangen. Dabei werden die Symbole Brot und Wein herumgereicht, aber nur die ganz wenigen "Geistgesalbten" dürfen davon nehmen.
Äußerlichkeiten
In der Versammlung und im Predigtdienst gilt: Männer tragen Hemd und oft Krawatte (je nach Wetter auch ein Sakko bzw. einen Anzug), Frauen einen langen Rock bzw. ein Kleid. Neben dieser westlich geprägten "Business-Kleidung" sind auch lokale Trachten zulässig, sofern sie nicht zu léger oder aufreizend sind. Von Männern wird eine eher konservative Haartracht erwartet, lange Haare und Bärte sind selten zu sehen. Über die Details dieser Regeln kann aber hingebungsvoll diskutiert werden (Ist dieser Rock zu kurz oder der Schlitz zu lang? Gilt ein Hosenrock als Rock? Sind hohe Absätze akzeptabel? Ist ein Vollbart in Ordnung? Darf die Krawatte gelockert sein?).
Dabei gibt es auch kleine regionale Unterschiede – so gelten in Skandinavien Vollbärte auch für Älteste als akzeptabel, was in den USA kaum denkbar wäre.
Dabei gibt es auch kleine regionale Unterschiede – so gelten in Skandinavien Vollbärte auch für Älteste als akzeptabel, was in den USA kaum denkbar wäre.
Predigtdienst
Predigtdienst gilt als die Aufgabe eines Zeugen Jehovas und als wichtigster Akt der Nächstenliebe, ja als Lebensrettung: möglichst viele "Schafe" sollen eingesammelt werden, bevor es zu spät ist (d.h. bevor Jehova seine Endschlacht gegen das Böse beginnt). Der Predigtdienst erfüllt aber noch andere Aufgaben:
Das erste Etappenziel des Predigtdienstes ist es, durch Zeitschriften und Gespräche soviel Interesse zu wecken, dass mit dem Interessierten ein sogenanntes Bibelstudium begonnen werden kann. Dabei wird allerdings nicht primär die Bibel, sondern ein Buch der Wachtturmgesellschaft nach einem vorgegebenen Schema durchgearbeitet, das die Bibel erklären soll. In weiterer Folge soll der Interessent immer mehr in das Versammlungsgeschehen – inklusive Predigtdienst – eingebunden werden und sich dann taufen lassen. Durch das Prinzip der Glaubenstaufe werden bei den ZJ zwar keine Kleinkinder getauft, Kinder ab ca. 10 Jahren hingegen schon. Eine Taufe im frühen Teenageralter ist üblich und erwünscht.
Es gibt keinen direkten Zwang, sich ständig am Predigtdienst zu beteiligen. Trotzdem ist der soziale Druck recht groß, zumindest ein paar Stunden pro Monat im Dienst zu verbringen, um nicht als glaubensschwach oder gar als "schlechter Umgang" zu gelten. Für die Taufe muss man erste Erfahrung im Predigtdienst vorweisen können. Männer, die Führungspositionen erreichen und halten wollen, müssen regelmäßig genug Stunden berichten.
Das in den Zeitschriften gern vermittelte Bild von der Begeisterung im Predigtdienst ist allerdings geschönt: für gar nicht wenige Zeugen ist der Predigtdienst eine mühsame Pflicht (was natürlich nicht offen zugegeben wird). So gibt es zahlreiche Tricks, um die Dienstzeit legal zu strecken: auffällig langsames Gehtempo, viele kleine Pausen, geduldiges Klingeln und Warten bei ganz offensichtlich unbewohnten Häusern, geschickte (also höchst ineffiziente) Routenwahl. Nicht zufällig erfreut sich auch der Straßendienst in Einkaufsstraßen oder Bahnstationen einer gewissen Beliebtheit: hier kann man stundenlang mit Wachtturm und Erwachet! stehen, ohne jemals ein Wort sprechen zu müssen. Trotzdem schätzen sogar viele Ex-Zeugen den Predigtdienst als gutes Training, um freies Sprechen vor unbekanntem Publikum und einige bewährte Argumentationstechniken zu erlernen.
Angesichts der enormen Zahl an Stunden, die jährlich von Zeugen Jehovas im Predigtdienst (und mit seiner Vorbereitung) verbracht werden, ist der Effekt erstaunlich gering: kaum jemand kennt die elementarsten Glaubensgrundsätze der Zeugen Jehovas. Nur sehr wenige entschließen sich zu einem "Bibelstudium", noch weniger konvertieren. In Deutschland kommen laut offizieller Statistik auf eine Taufe mehr als 7000 Stunden Predigtdienst. Anders betrachtet: ein einzelner Durchschnitts-Zeuge müsste rund 50 Jahre im Dienst verbringen, um die Taufe eines einzigen Mitglieds zu erreichen.
- Kaum etwas festigt den eigenen Glauben mehr, als ihn anderen zu vermitteln. Die Überzeugung anderer erfordert, selbst überzeugt zu sein.
- Ablenkung: in Wachtturm-Artikeln zu Themen wie Depression und Glaubenszweifeln wird gern der Predigtdienst als Heilmittel empfohlen.
- Predigtdienst verbindet: gemeinsam in Hitze, Kälte und Regen eine physisch und psychisch anstrengende Tätigkeit für ein höheres Ideal auszuführen, schweißt Menschen zusammen.
- Predigtdienst trennt: viele Menschen reagieren verständnislos und abweisend auf die Belehrungsversuche von Zeugen Jehovas, manchmal auch aggressiv. Damit bestätigt sich das Bild von der abweisenden, ungläubigen, von Satan beherrschten Welt. Die Polarisierung zwischen "geistigem Paradies" der Zeugen und "bösem Weltsystem" der Ungläubigen wird so immer wieder aufgefrischt.
- Bis in die 1990er-Jahre wurde die Literatur zu (relativ geringen) fixen Preisen verkauft, der Predigtdienst finanzierte somit teilweise den Betrieb. Heute wird sie kostenlos abgegeben. Spenden sind zwar erwünscht, im Predigtdienst wird aber üblicherweise nicht danach gefragt.
Das erste Etappenziel des Predigtdienstes ist es, durch Zeitschriften und Gespräche soviel Interesse zu wecken, dass mit dem Interessierten ein sogenanntes Bibelstudium begonnen werden kann. Dabei wird allerdings nicht primär die Bibel, sondern ein Buch der Wachtturmgesellschaft nach einem vorgegebenen Schema durchgearbeitet, das die Bibel erklären soll. In weiterer Folge soll der Interessent immer mehr in das Versammlungsgeschehen – inklusive Predigtdienst – eingebunden werden und sich dann taufen lassen. Durch das Prinzip der Glaubenstaufe werden bei den ZJ zwar keine Kleinkinder getauft, Kinder ab ca. 10 Jahren hingegen schon. Eine Taufe im frühen Teenageralter ist üblich und erwünscht.
Es gibt keinen direkten Zwang, sich ständig am Predigtdienst zu beteiligen. Trotzdem ist der soziale Druck recht groß, zumindest ein paar Stunden pro Monat im Dienst zu verbringen, um nicht als glaubensschwach oder gar als "schlechter Umgang" zu gelten. Für die Taufe muss man erste Erfahrung im Predigtdienst vorweisen können. Männer, die Führungspositionen erreichen und halten wollen, müssen regelmäßig genug Stunden berichten.
Das in den Zeitschriften gern vermittelte Bild von der Begeisterung im Predigtdienst ist allerdings geschönt: für gar nicht wenige Zeugen ist der Predigtdienst eine mühsame Pflicht (was natürlich nicht offen zugegeben wird). So gibt es zahlreiche Tricks, um die Dienstzeit legal zu strecken: auffällig langsames Gehtempo, viele kleine Pausen, geduldiges Klingeln und Warten bei ganz offensichtlich unbewohnten Häusern, geschickte (also höchst ineffiziente) Routenwahl. Nicht zufällig erfreut sich auch der Straßendienst in Einkaufsstraßen oder Bahnstationen einer gewissen Beliebtheit: hier kann man stundenlang mit Wachtturm und Erwachet! stehen, ohne jemals ein Wort sprechen zu müssen. Trotzdem schätzen sogar viele Ex-Zeugen den Predigtdienst als gutes Training, um freies Sprechen vor unbekanntem Publikum und einige bewährte Argumentationstechniken zu erlernen.
Angesichts der enormen Zahl an Stunden, die jährlich von Zeugen Jehovas im Predigtdienst (und mit seiner Vorbereitung) verbracht werden, ist der Effekt erstaunlich gering: kaum jemand kennt die elementarsten Glaubensgrundsätze der Zeugen Jehovas. Nur sehr wenige entschließen sich zu einem "Bibelstudium", noch weniger konvertieren. In Deutschland kommen laut offizieller Statistik auf eine Taufe mehr als 7000 Stunden Predigtdienst. Anders betrachtet: ein einzelner Durchschnitts-Zeuge müsste rund 50 Jahre im Dienst verbringen, um die Taufe eines einzigen Mitglieds zu erreichen.
Geschichten und Legenden
Vielleicht lässt sich über eine Gesellschaft am meisten herausfinden, wenn man ihre ihre Folklore betrachtet, die meistens mündlich weitergegeben wird. Auch die Zeugen Jehovas haben davon einiges zu bieten, was auch teilweise offiziell berichtet wird: sogenannte "Erfahrungen" (kurze, erhebende Geschichten) sind fixer Bestandteil von Kongressen und Jahrbüchern. Sie werden gern weitererzählt und variiert.
Besonders beliebt sind Geschichten, die sich um den Predigtdienst drehen: kuriose, erschreckende oder erhebende Ereignisse an fremden Haustüren. Da öffnet der Wohnungsbesitzer nackt die Tür, dort blamiert sich ein Pfarrer oder eine Ordensfrau mit Unkenntnis der Bibel, andernorts hat man just in dem Moment auf ein "Zeichen Gottes" gewartet, als die freundlichen Menschen mit dem Wachtturm an der Tür klingeln (Monate später ist natürlich die ganze Familie bei den Zeugen getauft). Immer wieder gibt es Geschichten, die vom besonderen Schutz Jehovas handeln: ein Engel bewahrt das gläubige junge Mädchen vor dem Vergewaltiger oder Mörder, ein bissiger Hund wird plötzlich handzahm, ein Grenzsoldat vergisst ausgerechnet den Koffer jenes Mannes zu durchsuchen, der illegal Wachtturmhefte ins Land schmuggeln will. Sehr häufig handeln Erzählungen von irgendeiner Form von Verfolgung oder Ablehnung durch "die Christenheit", sowie von armen Menschen die große Mühen auf sich nehmen um zu den Versammlungen zu kommen oder sogar ihr weniges Hab und Gut verkaufen um damit die Organisation zu unterstützen (etwa beim Bau eines Königreichssaals).
Abseits des Predigtdienstes tut sich auch so einiges, was aber eher zur "inoffiziellen" Folklore gehört: Dämonen quälen die treue Zeugenfamilie, bis sie endlich ein am Flohmarkt gekauftes Möbelstück verbrennen, in dem die Plagegeister sitzen. Diversen Popmusikern – früher etwa John Denver oder Chris de Burgh – wird unterstellt, sie würden bei jedem Auftritt alle anwesenden Zeugen Jehovas zum Verlassen des Saals auffordern. In einer sinistren Variante, weil ihr vom Teufel unterstütztes Spielen sonst nicht funktioniere, in einer harmloseren Version, weil sie ein patriotisches Lied anstimmen wollten. (Diese Geschichte erzählt üblicherweise jemand, der jemanden kennt, der es selbst erlebt hat...)
Ein in den letzten Jahren besonders forciertes Klischee sind Geschichten von Naturkatastrophen, die fast immer nach demselben Schema ablaufen: während alles im Chaos versinkt, sind nur die Zeugen Jehovas prompt und perfekt organisiert mit Hilfe zur Stelle, was auch von irgendwelchen Offiziellen (Bürgermeister, Gouverneure o.ä.) begeistert bestätigt wird – von den Medien aber verschwiegen wird. Natürlich führt diese beeindruckende Rettungsaktion auch dazu, dass einst feindlich gesinnte Menschen plötzlich wohlmeinend gestimmt sind, die Versammlungen besuchen, sich von der falschen Religion lossagen und den Zeugen anschließen.
In vielen dieser Geschichten spiegelt sich ein Selbstverständnis der Zeugen Jehovas wieder, das für Außenstehende schwer nachvollziehbar ist: die eigene Religion ist zwar klein, aber doch sehr bedeutend; die ganze Welt (sowohl die menschliche als auch die "himmlische") achtet ständig genau auf das, was die Zeugen Jehovas tun; man steht mitten im großen Konflikt zwischen Gut und Böse. Ganz kleine und ganz große Weltereignisse werden in irgendeiner Form mit den Zeugen Jehovas in Verbindung gebracht, ihre Ursachen und Motive umgedeutet; hinter diversen Konflikten steckt "in Wirklichkeit" Satan, der den Zeugen Jehovas schaden will.
Dieses Weltbild ist kein einzigartiges Merkmal der Zeugen Jehovas: viele kleine christliche Gruppen sehen sich selbst als Erfüllung von Prophezeihungen oder einfach nur im Brennpunkt des göttlichen und/oder menschlichen Interesses. Darum ist es auch nicht erstaunlich, dass etliche der oben erwähnten Geschichten fast wortgleich auch in anderen Religionen erzählt werden (z.B. bei den Adventisten oder Mormonen, aber auch in evangelikalen Gruppen).
Besonders beliebt sind Geschichten, die sich um den Predigtdienst drehen: kuriose, erschreckende oder erhebende Ereignisse an fremden Haustüren. Da öffnet der Wohnungsbesitzer nackt die Tür, dort blamiert sich ein Pfarrer oder eine Ordensfrau mit Unkenntnis der Bibel, andernorts hat man just in dem Moment auf ein "Zeichen Gottes" gewartet, als die freundlichen Menschen mit dem Wachtturm an der Tür klingeln (Monate später ist natürlich die ganze Familie bei den Zeugen getauft). Immer wieder gibt es Geschichten, die vom besonderen Schutz Jehovas handeln: ein Engel bewahrt das gläubige junge Mädchen vor dem Vergewaltiger oder Mörder, ein bissiger Hund wird plötzlich handzahm, ein Grenzsoldat vergisst ausgerechnet den Koffer jenes Mannes zu durchsuchen, der illegal Wachtturmhefte ins Land schmuggeln will. Sehr häufig handeln Erzählungen von irgendeiner Form von Verfolgung oder Ablehnung durch "die Christenheit", sowie von armen Menschen die große Mühen auf sich nehmen um zu den Versammlungen zu kommen oder sogar ihr weniges Hab und Gut verkaufen um damit die Organisation zu unterstützen (etwa beim Bau eines Königreichssaals).
Abseits des Predigtdienstes tut sich auch so einiges, was aber eher zur "inoffiziellen" Folklore gehört: Dämonen quälen die treue Zeugenfamilie, bis sie endlich ein am Flohmarkt gekauftes Möbelstück verbrennen, in dem die Plagegeister sitzen. Diversen Popmusikern – früher etwa John Denver oder Chris de Burgh – wird unterstellt, sie würden bei jedem Auftritt alle anwesenden Zeugen Jehovas zum Verlassen des Saals auffordern. In einer sinistren Variante, weil ihr vom Teufel unterstütztes Spielen sonst nicht funktioniere, in einer harmloseren Version, weil sie ein patriotisches Lied anstimmen wollten. (Diese Geschichte erzählt üblicherweise jemand, der jemanden kennt, der es selbst erlebt hat...)
Ein in den letzten Jahren besonders forciertes Klischee sind Geschichten von Naturkatastrophen, die fast immer nach demselben Schema ablaufen: während alles im Chaos versinkt, sind nur die Zeugen Jehovas prompt und perfekt organisiert mit Hilfe zur Stelle, was auch von irgendwelchen Offiziellen (Bürgermeister, Gouverneure o.ä.) begeistert bestätigt wird – von den Medien aber verschwiegen wird. Natürlich führt diese beeindruckende Rettungsaktion auch dazu, dass einst feindlich gesinnte Menschen plötzlich wohlmeinend gestimmt sind, die Versammlungen besuchen, sich von der falschen Religion lossagen und den Zeugen anschließen.
In vielen dieser Geschichten spiegelt sich ein Selbstverständnis der Zeugen Jehovas wieder, das für Außenstehende schwer nachvollziehbar ist: die eigene Religion ist zwar klein, aber doch sehr bedeutend; die ganze Welt (sowohl die menschliche als auch die "himmlische") achtet ständig genau auf das, was die Zeugen Jehovas tun; man steht mitten im großen Konflikt zwischen Gut und Böse. Ganz kleine und ganz große Weltereignisse werden in irgendeiner Form mit den Zeugen Jehovas in Verbindung gebracht, ihre Ursachen und Motive umgedeutet; hinter diversen Konflikten steckt "in Wirklichkeit" Satan, der den Zeugen Jehovas schaden will.
Dieses Weltbild ist kein einzigartiges Merkmal der Zeugen Jehovas: viele kleine christliche Gruppen sehen sich selbst als Erfüllung von Prophezeihungen oder einfach nur im Brennpunkt des göttlichen und/oder menschlichen Interesses. Darum ist es auch nicht erstaunlich, dass etliche der oben erwähnten Geschichten fast wortgleich auch in anderen Religionen erzählt werden (z.B. bei den Adventisten oder Mormonen, aber auch in evangelikalen Gruppen).
Ich kenne die Zeugen gut...
Die obige Floskel steht für ein Phänomen, das sich unweigerlich zeigt, wenn die Zeugen Jehovas oder ihre Lehren in irgendeiner Form ein Diskussionsthema sind: manche eifrige Zeugen möchten wie neutrale Beobachter wirken (die natürlich etwas Positives über die ZJ zu sagen haben), ohne zu lügen. Und so beginnt ein huldvoller Leserbrief mit der obigen Einleitung oder mit Andeutungen, dass man in irgendeiner Form eng mit dem sozialen Leben von Zeugen Jehovas vertraut ist – ohne jedoch etwas über den eigenen Status als Mitglied zu sagen. Ich habe auch die Erfahrung gemacht, dass eine Zeugin Jehovas sich deutlich als "nicht religiöse Person" bezeichnete und erst auf ausdrückliche Nachfrage – nach einigem Ausweichen – zugab, selbst aktives Mitglied zu sein. Es wäre wohl unfair, dieses Verhalten als böswillig oder hinterlistig zu interpretieren: vielleicht entspringt es einfach dem Wunsch, die Welt dem Soll-Weltbild anzupassen, in dem die Zeugen Jehovas von den einen bewundert, von den anderen gehasst, aber von niemandem ignoriert werden.
Mit etwas Erfahrung fällt es jedenfalls leicht, das Spiel zu durchschauen: langjährige ZJ können kaum über religiöse Themen reden, ohne in das charakteristische "Wachtturmsprech" zu verfallen; oft werden einstudierte Sätze und Argumentationslinien aus diversen WTG-Büchern wortwörtlich wiedergegeben.
Mit etwas Erfahrung fällt es jedenfalls leicht, das Spiel zu durchschauen: langjährige ZJ können kaum über religiöse Themen reden, ohne in das charakteristische "Wachtturmsprech" zu verfallen; oft werden einstudierte Sätze und Argumentationslinien aus diversen WTG-Büchern wortwörtlich wiedergegeben.
Fundis und Realos?
Genauso wie in anderen Religionen gibt es auch bei den Zeugen Jehovas ein gewisses Spektrum von "liberaleren" zu "orthodoxeren" Mitgliedern. Im Vergleich zu den großen Kirchen ist der Spielraum aber drastisch kleiner: wer sich von der Norm abweichend verhält, fällt schnell auf, wird von anderen Mitgliedern und den Ältesten angesprochen und nötigenfalls auch sehr rasch ausgeschlossen.
In der Praxis zeigen sich geographische Unterschiede: so erzählen europäische Zeugen Jehovas oft mit einem gewissen Stolz, dass sie manches nicht so eng sähen wie die Brüder in den USA. Fast immer geht es dabei aber nur um eine Menge Kleinigkeiten (wie etwa den Dresscode, die Teilnahme an Feiern, oder Hobbies wie Computerspiele).
Selbst in einer einzigen Versammlung gibt es gewisse Abweichungen, auch wenn das erst nach einiger Zeit und persönlicher Bekanntschaft klar wird, denn frei und offen zugeben wird's kaum jemand. Frisch konvertierte Mitglieder sind oft besonders fanatisch und überzeugt, langjährige Zeugen dagegen neigen mitunter dazu, sich trotz abweichender Meinungen zu arrangieren ("das Meiste ist schon in Ordnung, über die paar Dinge kann ich hinwegsehen, man muss ja nicht alles so eng sehen"). Und manche sind nur mehr dabei, um den Schein zu wahren und nicht durch Ausschluss ihre Familie und Freunde zu verlieren: sie glauben zwar nicht mehr an die Organisation, scheuen aber die Konsequenzen eines Ausstiegs.
Offener Widerspruch gegenüber der Führung ist jedenfalls undenkbar. Während etwa in der katholischen Kirche Gläubige (und sogar Priester) öffentlich Kritik am Papst oder Lehren der Kirche üben können, ist das bei den Zeugen Jehovas ein direkter Weg zum Ausschlussverfahren.
In der Praxis zeigen sich geographische Unterschiede: so erzählen europäische Zeugen Jehovas oft mit einem gewissen Stolz, dass sie manches nicht so eng sähen wie die Brüder in den USA. Fast immer geht es dabei aber nur um eine Menge Kleinigkeiten (wie etwa den Dresscode, die Teilnahme an Feiern, oder Hobbies wie Computerspiele).
Selbst in einer einzigen Versammlung gibt es gewisse Abweichungen, auch wenn das erst nach einiger Zeit und persönlicher Bekanntschaft klar wird, denn frei und offen zugeben wird's kaum jemand. Frisch konvertierte Mitglieder sind oft besonders fanatisch und überzeugt, langjährige Zeugen dagegen neigen mitunter dazu, sich trotz abweichender Meinungen zu arrangieren ("das Meiste ist schon in Ordnung, über die paar Dinge kann ich hinwegsehen, man muss ja nicht alles so eng sehen"). Und manche sind nur mehr dabei, um den Schein zu wahren und nicht durch Ausschluss ihre Familie und Freunde zu verlieren: sie glauben zwar nicht mehr an die Organisation, scheuen aber die Konsequenzen eines Ausstiegs.
Offener Widerspruch gegenüber der Führung ist jedenfalls undenkbar. Während etwa in der katholischen Kirche Gläubige (und sogar Priester) öffentlich Kritik am Papst oder Lehren der Kirche üben können, ist das bei den Zeugen Jehovas ein direkter Weg zum Ausschlussverfahren.